Home - Fakten - Mais für Biogas - Treiber für steigende Lebensmittelpreise?

Mais für Biogas - Treiber für steigende Lebensmittelpreise?

„Genug für Teller, Trog und Tank?“ Auf deutschen Ackerflächen wird neben Futter- und Lebensmitteln auch zunehmend mehr Biomasse für die Energieerzeugung angebaut. Da die Anbaufläche begrenzt ist, steigen infolge von Flächenkonkurrenz und -verknappung die Preise für Futter- und Lebensmittel, so die These in der öffentlichen Debatte. Langfrist-Untersuchungen können diesen Zusammenhang nicht bestätigen und kommen zu einer anderen Einschätzung. Dennoch – der Sachverhalt ist sehr komplex und bedarf des globalen Blickwinkels.

Biogasanlagen als Preistreiber unbedeutend

Auf rund 5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands wird Mais zur Biogaserzeugung angebaut. Auf die Preisentwicklungen an den globalen Agrarmärkten hat dies keinen Einfluss. Ebenso spielt der weltweite Anbau von Energiepflanzen in der Gesamtbetrachtung aller Faktoren, die Einfluss auf Lebensmittel‐ und Agrarrohstoffpreise nehmen, nur eine untergeordnete Rolle, so die Ergebnisse einer Auswertung von Daten der Welthungerhilfe und der FAO in 2012 durch den Biogasrat, dem Verband der führenden Unternehmen der Biogaswirtschaft.

Biogasrat. Veröffentlichungen (2011) Biogas und Landwirtschaft

 

Auch Prof. Harald von Witzke, Leiter des Fachgebiets Internationaler Agrarhandel und Entwicklung an der Humboldt-Universität zu Berlin, hält „die Konkurrenz von Teller und Tank quantitativ für vollkommen überschätzt“. Weltweit werden auf nur drei Prozent der Ackerfläche Nutzpflanzen für die Bioenergieproduktion angebaut. Daraus resultiert nach seiner Einschätzung ein Anstieg der Agrarpreise seit der Jahrtausendwende um ein Zehntel. Die Agrarpreise sind aber seither um mehr als 100 Prozent gestiegen.

Ressourcenkonkurrenz wird überschätzt. Professor von Witzke im Interview mit Deutscher Bauern Korrespondenz

 

Wachstum der Bioenergie und Überschüsse an den Agrarmärkten

Die Erzeugung von Biogas aus Silomais ist eine deutsche Spezifität und auf die gezielte Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zurückzuführen. Gut 60 Prozent der europäischen Anlagen stehen in Deutschland. Trotz deutlich gestiegener Anbauflächen für Energiemais und Energiepflanzen insgesamt werden in Deutschland Teller und Trog bedient und zusätzlich große Mengen an Getreide exportiert. Deutschland ist auf den Agrarmärkten ein bedeutender Nettoexporteur von Getreide geblieben. Selbst nach relativ schwachen Ernten im Zeitraum 2010 bis 2012 sind die Exportüberschüsse bei Getreide weiter gestiegen.

Der Bedarf an Agrarrohstoffen an den globalen Märkten steigt. Wichtigste Treiber dieser Entwicklung sind das Bevölkerungswachstum sowie der wachsende Fleischverbrauch in großen Schwellen- und Entwicklungsländern. Auch die steigende Nachfrage nach Agrarrohstoffen für Bioenergie wird den Bedarf weiter wachsen lassen. Laut der Agrarvorschau 2012-2022 von OECD und FAO werden derzeit 65 Prozent der europäischen Pflanzenölproduktion, 40 Prozent der amerikanischen Maisernte, und 50 Prozent der Zuckerrohrproduktion für die Biokraftstoffherstellung verwendet. Sollte die Förderpolitik in den USA und der EU den Anbau von Energiepflanzen weiter ankurbeln, sind Auswirkungen auf die Weltagrarpreise nicht auszuschließen, so die beiden Organisationen in ihrem Bericht.

Aktuelle Langfrist-Untersuchungen der globalen Getreidemärkte zeigen aber auch, dass das Produktionswachstum mit dem Nachfragewachstum seit der Jahrtausendwende mitgehalten hat. Bei Getreide und Reis sind große Überschüsse entstanden. Die FAO vermeldet bei Reis mittlerweile „einen massiven Angebotsüberhang“. Mit Blick auf die globalen Bestände an Lebens- und Futtermitteln bestätigt sich erneut, dass Hunger kein Mengen-, sondern ein Verteilungsproblem ist.

Langfristig reicht es für „Teller, Trog und Tank“

Wissenschaftler der Universität Hohenheim geben der Teller-, Trog- und Tank-Diskussion eine positive Perspektive. Nach Berechnungen einer Forschungsgruppe um Prof. Jürgen Zeddies ist die Sicherung der globalen Ernährung mit dem Anbau von Energiepflanzen vereinbar, und dies im Einklang mit dem Natur- und Umweltschutz. In der vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geförderten Studie analysieren sie die globalen Flächenpotenziale für die Biomasseproduktion. Speziell für Europa ergibt sich ein optimistisches Szenario. „Die Bundesrepublik hat eine sehr hohe Flächenproduktivität und die Bevölkerung wird laut UN-Prognose abnehmen. Das Land kann deshalb den Bioenergiesektor voraussichtlich weiter ausbauen, ohne eine weitgehend selbstständige Ernährung zu gefährden und trotzdem noch größere Agrarexporte für die Welternährungssicherung bereitstellen“, fasst Dr. Schönleber die vorläufigen Ergebnisse der Studie zusammen.

Zeddies et al. (2012) Globale Analyse und Abschätzung des Biomasse-Flächennutzungspotenzials

Ein viel zu großer Teil der auf wertvollen Ackerflächen produzierten Lebensmittel wird als Abfall entsorgt. Gemäß einer Studie des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Berlin werden in Deutschland pro Jahr knapp 11 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Der Großteil dieser Lebensmittelabfälle (61 Prozent) wird von Privathaushalten, gefolgt von Großverbrauchern wie Gaststätten, Kantinen sowie der Industrie (jeweils rund 17 Prozent) entsorgt. 65 Prozent dieser Lebensmittelabfälle wären völlig oder zumindest teilweise vermeidbar. Der Wert der vermeidbaren Lebensmittelabfälle wird pro Kopf auf jährlich 235 Euro geschätzt. In den Entwicklungsländern dagegen sind es vor allem Ernte- und Lagerverluste, die das Angebot schmälern.

Wussten Sie schon?